Silver Horses
Silver Horses (2012)
Alternative Rock
Note: 7.0


Kinder, wie die Zeit vergeht. Ich erinnere mich noch gut, als mich die Stimme von Tony Martin das erste Mal so richtig in ihren Bann gezogen hat. Ich muss so in etwa zwölf Jahre alt gewesen sein und hatte mir gerade "Tyr" von BLACK SABBATH zugelegt. Schon nach der ersten Minute war ich unsterblich in diese Wahnsinns-Stimme verliebt und saugte jede Note wie ein Schwamm in mich auf. Auch die folgenden Jahre wurden BLACK SABBATH mit Tony an den Vocals zu einem ständigen Begleiter. Mehr noch sogar! Es gibt wohl kaum eine Stimme auf dem Hard Rock-Sektor, die meinen Musikgeschmack derart mitgeprägt hat, wie dieser einmalige Sänger, den ich übrigens noch heute für den ultimativen BLACK SABBATH-Vokalisten halte. Kein Ronnie James Dio kam diesem Status auch nur nahe. Ein John Michael Osbourne erst recht nicht. Nach seiner Zeit bei den SABBS hatte ich diesen grandiosen Sänger allerdings komplett aus den Augen und Ohren verloren.

Mit SILVER HORSES hat Tony Martin nun ein neues Projekt am Start, mit dem der Brite seinen Einflüssen der 70's eine allgegenwärtige Plattform einräumt und gemeinsam mit den italienischen Musikern Gianluca Galli (Gitarre), Andrea Castelli (Bass)und Matteo 'Bona' Bonini (Drums) sämtliche Songs zusammen und in Gleichberechtigung geschrieben hat. So ist das selbstbetitelte Album eine mentale Reise durch die Sounds von Bands wie LED ZEPPELIN, RAINBOW, WHITESNAKE und, man will es kaum glauben, einer modernen Prise Alternative Rock geworden, die sich klanglich allerdings mehr an US-Sounds orientiert, als an den erwarteten englischen Klangteppichen. Kreischende oder gar sägende Gitarrenriffs sucht man vergebens. Alles wurde diesem zwingenden tiefen Groove untergeordnet, der vielen Combos der Siebziger inne wohnte. Auf "Silver Horses" ist dies aber auch ein Knackpunkt, denn die Songs ertönen in diesem Korsett bedauerlicherweise recht gleichförmig. Besonderheiten hervorzuheben erscheint dennoch recht einfach. Immer wieder sorgt eine Mundharmonika für kleine Farbtupfer im Klangbild und auch akustische Gitarren setzen merkliche Akzente (besonders beim Titelsong). Selbst ein gesundes Maß an Western-Feeling kommt hin und wieder auf. Dazu die Stimme des Meisters...

Doch was ist denn jetzt kaputt? Ich tue mich auf einmal sehr schwer, ernsthaften Gefallen an dem Gehörten zu finden. Tony Martin hat das Singen keinesfalls verlernt, wie vor allem die beiden ruhigeren Stücke 'Suddenly Lost' (mit einem stimmigen Einsatz des Tremolo-Effektes) und der Rausschmeißer 'Who's Holding On To You' (was für eine Gesangslinie!) zweifelsfrei belegen. Auch wenn es sich hier um die Balladen handelt und die beiden Tracks nicht repräsentativ für den Gesamtsound von SILVER HORSES sein mögen, so will ich sie euch dennoch als Anspieltipps an die Hand geben. Ganz einfach, weil ich diese beiden Songs für die besten Tracks des Albums erachte. Der Rest des Albums war für meinen Geschmack dann doch ein wenig enttäuschend. Sicher, es sind viele Jahre seit Werken wie "Tyr", "Headless Cross" und, um nur noch ein weiteres Beispiel anzuführen, "The Eternal Idol" vergangen, doch wenn ich nicht gewusst hätte, wer die Songs von "Silver Horses" darbietet, hätte ich einen meiner größten Jugendhelden nicht die Bohne erkannt. Weder in den tiefen noch in den hohen Tonlagen lassen sich noch Querverweise zur einstigen Glorie der BLACK SABBATH-Meisterwerke ziehen. Lange Rede, kurzer Sinn. Diese einzigartige "Magie" ist Tony Martins Stimme entwichen, welche die eben aufgezählten Alben für mich immer so besonders, und diesen Frontmann so einzigartig gemacht hatte. Man kann zwar einen Reifeprozess auf der gesanglichen Ebene bescheinigen (will heißen: erwachsener), aber ich muss doch immer wieder gewaltig schlucken wenn ich versuche, die beiden Phasen miteinander zu vergleichen. Das mag unfair erscheinen, aber wer in einer so bedeutenden Band wie BLACK SABBATH das Mikro halten durfte, der muss sich zwangsläufig auch diesen Vergleichen stellen. Immerhin sind es beachtliche Referenzen, wie man sie sich in dieser Szene nur wünschen kann. Ein schlechtes Album ist "Silver Horses" deswegen noch lange nicht. Alle Songs bewegen sich auf einem gutklassigen Niveau und Fans von Truppen wie BLACK COUNTRY COMMUNION dürfen sich auf jeden Fall voller Vorfreude die Hände reiben. Stilistisch passen diese beiden Bands erstaunlich gut zusammen, da beide Bands ein Faible für bluesige Marschrichtungen haben. Für einen langjährigen Tony Martin-Fan ist mir das hier gebotene Stück Musik aber dann doch zu handzahm und wie gesagt, gleichförmig, um Begeisterungsstürme in mir auszulösen. Bricht etwa schon der Schatten der Nostalgie über mich herein? Egal... früher war der besser!


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